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Der Bürgerdialog ist ein Modell zur Bürgerbeteiligung in Ostbelgien, das vom Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft ins Leben gerufen wurde. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Bürgerversammlungen sind ein Zusammenkommen von 25 bis 50 ausgelosten Bürgern, die über ein bestimmtes Thema diskutieren und Empfehlungen dazu an die Politik aussprechen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Bürgerrat ist eine Organisation von 24 ausgelosten Bürgern, die die Bürgerversammlungen organisieren und entscheiden, über welches Thema diskutiert werden soll. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es könnte sein, dass Sie ausgelost werden, um Mitglied des Bürgerrats oder einer Bürgerversammlung zu werden. Unabhängig davon, ob Sie ausgelost werden oder nicht, können Sie Themen vorschlagen, über die die Bürgerversammlung diskutieren soll. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Einwohner der Deutschsprachigen Gemeinschaft können Themen besprechen, die ihnen wichtig sind: Zuerst informieren sie sich darüber, dann diskutieren sie darüber und schließlich formulieren sie Empfehlungen an die Politiker (Regierung und Parlamentarier).

Die Bürger können sich somit aktiv an der Gestaltung der Politik beteiligen. Sie erfahren, was es heißt, wie ein Politiker zu arbeiten: sich umfassend zu einem Thema informieren, Argumente austauschen und sich schließlich auf einen Text einigen.

Für die Politiker hingegen ist der Bürgerdialog ein regelrechter Kompass: Durch die Empfehlungen erfahren sie, was den Bürgern wichtig ist. Sie können ihre Politik danach ausrichten, sodass ihre Entscheidungen für alle nachvollziehbar sind.

Beim Bürgerdialog wirken folgende Beteiligte mit:

  • die Bürgerversammlungen: Sie diskutieren jeweils über ein Theme und sprechen Empfehlungen an die Politik aus. Sie setzten sich jeweils aus 25 bis 50 Bürgern zusammen, die per Los ausgewählt werden;
  • der Bürgerrat: Er organisiert die Bürgerversammlungen. Er setzt sich aus 24 Bürgern zusammen, die vorher bereits an einer Bürgerversammlung teilgenommen haben;
  • die Ständige Sekretärin: Sie heißt Anna Stuers und ist ein Personalmitglied der Parlamentsverwaltung. Sie betreut den gesamten Bürgerdialog;
  • das Parlament und die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft.

Siehe auch die Grafik

1. Schritt: Themenaufruf und Themenauswahl

Die Bürgerversammlung wird über ein bestimmtes Thema diskutieren und dazu Empfehlungen an die Politiker formulieren. Deshalb startet der Bürgerrat einen öffentlichen Aufruf, damit Themenvorschläge eingereicht werden können. Das Thema soll idealerweise die Deutschsprachige Gemeinschaft betreffen, sich also auf eine Angelegenheit beziehen, für die die Deutschsprachige Gemeinschaft zuständig ist.
Jeder Bürger kann Themen vorschlagen. Damit diese Vorschläge aber stellvertretend für einen Großteil der Bevölkerung sind, sollten sie von mindestens 100 Bürgern unterstützt werden.
Darüber hinaus kann das Parlamentspräsidium und die Mitglieder des Bürgerrates selbst Vorschläge unterbreiten. Im Anschluss wählt der Bürgerrat vollkommen autonom aus, welches Thema von der Bürgerversammlung diskutiert werden soll.

2. Schritt: Der Bürgerrat bereitet die Bürgerversammlung vor.
Nachdem das Thema feststeht, bereitet der Bürgerrat die Bürgerversammlung vor. Er legt fest, wie viele Bürger an der Versammlung teilnehmen, legt den Zeitpunkt, den Ort und die Dauer der Bürgerversammlung fest. Der Bürgerrat stellt die Informationen zusammen, die der Bürgerversammlung zur Verfügung gestellt werden und arbeitet eine Liste von Experten und Interessensvertretern aus, die von der Bürgerversammlung angehört werden sollen. Dabei wird der Bürgerrat von der Ständigen Sekretärin unterstützt.

3. Schritt: Die Teilnehmer werden ausgelost.
Die Bürger, die an der Bürgerversammlung teilnehmen dürfen, werden per Los ausgewählt. Alle Bürger, die mindestens 16 Jahre alt sind und in einer der 9 Gemeinden der Deutschsprachigen Gemeinschaft wohnen, kommen dafür infrage. Die Teilnahme am Bürgerdialog ist freiwillig, keiner kann dazu verpflichtet werden. Die ausgelosten Bürger werden angeschrieben und gefragt, ob sie teilnehmen möchten oder nicht. Gleichzeitig werden einige zusätzliche Informationen wie Beruf, Ausbildung usw. abgefragt, die für eine ausgewogene Zusammensetzung der Bürgerversammlung wichtig sind. Diese Informationen werden vertraulich behandelt und dienen ausschließlich dem Auswahlverfahren.

Aus der Gruppe der Bürger, die ihre Teilnahme bestätigt haben, werden 25-50 Bürger ausgelost, die letztendlich an der Bürgerversammlung teilnehmen. Damit die ausgewählten Bürger einen guten Querschnitt der Bevölkerung darstellen, werden bei der Auslosung Kriterien wie Alter, Geschlecht, Wohnort und Ausbildung berücksichtigt.

4. Schritt: Die Bürgerversammlung tritt zusammen und berät.
Die Bürgerversammlung tritt an dem festgelegten Datum zusammen. Zunächst arbeiten sich die Bürger in das Thema ein. Da jedes Mitglied einen anderen Hintergrund mitbringt, sich mehr oder weniger mit dem Thema auskennt, werden alle dabei unterstützt: Die Mitglieder der Bürgerversammlung können Experten und Interessensvertreter anhören, amtliche Dokumente einsehen und auf die Dienste des Parlaments zurückgreifen. Unterstützt werden sie dabei von der Ständigen Sekretärin. Im Anschluss diskutieren sie darüber, welche Probleme es gibt und wie diese gelöst werden können. Die Diskussion wird von einem Moderator begleitet.

5. Schritt: Die Bürgerversammlung formuliert Empfehlungen.
Nachdem die Diskussionen abgeschlossen sind, formuliert die Bürgerversammlung Empfehlungen für die Regierung und die Parlamentarier, in einer bestimmten Weise zu handeln. Idealerweise werden diese Empfehlungen einstimmig von allen Mitgliedern der Bürgerversammlung angenommen. Die Empfehlungen werden dann dem Parlament übermittelt und an den zuständigen Parlamentsausschuss verwiesen.

6. Schritt: Die Bürgerversammlung diskutiert die Empfehlungen mit den Politikern.
Im zuständigen Parlamentsausschuss werden die Empfehlungen diskutiert. Vertreter der Bürgerversammlung stellen die Empfehlungen den Parlamentariern und dem zuständigen Minister zunächst vor. Anschließend wird gemeinsam darüber diskutiert. Diese Sitzung ist öffentlich, alle Bürger der Deutschsprachigen Gemeinschaft können sie also mitverfolgen.

7. Schritt: Die Politiker arbeiten eine Stellungnahme zu den Empfehlungen aus.
Anschließend arbeiten die Parlamentarier und der zuständige Minister eine Stellungnahme aus. Diese beschreibt, wie die Politiker die Empfehlungen umsetzen werden. Wenn die Politiker eine Empfehlung nicht umzusetzen möchten, müssen sie diese Entscheidung ausdrücklich begründen.

8. Schritt: Die Politiker diskutieren die Stellungnahme mit den Mitgliedern der Bürgerversammlung.
Im Anschluss findet eine weitere Sitzung statt. Die Politiker stellen ihre Stellungnahme den Mitgliedern der Bürgerversammlung vor und diskutieren diese mit den Bürgern. Diese Sitzung ist wiederum öffentlich.

9. Schritt: Die Politiker setzen die Empfehlungen (ganz oder teilweise) um.
Das Parlament und die Minister leiten nun die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen ein, mit denen sie sich einverstanden erklärt haben. Der Bürgerrat verfolgt die Umsetzung und kann sich in regelmäßigen Abständen nach dem Stand der Dinge erkundigen.

10. Schritt: Die Politiker und die Bürgerversammlung diskutieren die Umsetzung der Empfehlungen.
Spätestens ein Jahr nach der letzten Sitzung des Parlamentsausschusses treffen sich die Parlamentarier, der Minister und die Mitglieder der Bürgerversammlung nochmals, um über den Stand der Dinge in Bezug auf die Umsetzung der Empfehlungen zu diskutieren. Diese Sitzung ist erneut öffentlich. Falls notwendig, können zusätzliche Versammlungen einberufen werden, um die weitere Umsetzung zu begleiten.

Die ständige Sekretärin führt die Auslosung der teilnehmenden Bürger durch und organisiert die Hinterlegung und Unterstützung von Themenvorschlägen durch die Bürger. Sie bereitet alle Sitzungen und alle Entscheidungen des Bürgerrats und der Bürgerversammlungen vor, stellt die notwendigen Informationen zusammen und protokolliert deren Versammlungen und Entscheidungen.

Darüber hinaus informiert sie die breite Öffentlichkeit über den Bürgerdialog und ist verantwortlich für die Kommunikation mit den Bürgern und den Medienvertretern. Schließlich kümmert sie sich auch um die Logistik und die Finanzen.

Ja, die Teilnehmer erhalten ein Anwesenheitsgeld von rund 100 Euro für eine ganztägige Sitzung (rund 50 Euro für eine zwei-stündige Sitzung), sowie eine Fahrtentschädigung für die zurückgelegten Kilometer oder für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

(Die genaue Summe beträgt 37,50 Euro. Der Betrag ist aber an die Schwankungen es Index gebunden, der im Königlichen Erlass vom 24. Dezember 1993 zur Ausführung des Gesetzes vom 6.1.1989 zur Wahrung der Konkurrenzfähigkeit des Landes angeführt wird. Der Schwellenindex beträgt 138,01. Die Summe muss auch versteuert werden. Dauert eine Sitzung länger als vier Stunden, so wird die Summe verdoppelt. Dem aktuellen Index nach und nach Steuervorabzug bleibt dem Bürgerdialogsmitglied demnach aktuell eine Summe von 102,82 Euro für eine ganztägige Sitzung. Stand: 01.09.2022)

Der Bürgerdialog in Ostbelgien ist in seiner Art einzigartig in der Welt. Es hat zwar schon zahlreiche andere Bürgerdialoge in anderen Ländern und auch in Belgien gegeben. Der Bürgerdialog in Ostbelgien aber ist besonders innovativ, weil es ein „permanenter“ ist: Die Deutschsprachige Gemeinschaft hat ein eigenes Dekret zum Bürgerdialog in Ostbelgien ausgearbeitet und angenommen sowie ein eigenes Budget dafür vorgesehen. Zudem gibt es ein ständiges Gremium: Der "Bürgerrat". Dieser Umstand bietet ganz neue Chancen: Die Themendiskussion ist nicht eine einmalige Sache. Die Bürger treffen sich jedes Jahr, um jeweils wieder über ein neues Thema zu diskutieren. Auch die Nachverfolgung der Empfehlungen ist gesetztlich verankernt. Das ist ein starkes Signal an die Politiker und ermöglicht ihnen noch besser zu verstehen, was den Einwohnern Ostbelgiens wirklich wichtig ist.

Wer beim Bürgerdialog mitmacht, kann also nicht nur seine Meinung sagen. Jedes Mitglied trägt dazu bei, dass die gesamte Politik in Ostbelgien bürgernah ist, also dass Politiker Entscheidungen treffen, die für jeden nachvollziehbar sind. Außerdem erfahren die Mitglieder, wie ein Politiker genau arbeitet. Die intensive Einarbeitung in die ausgewählten Themen bietet jedem Mitglied die Gelegenheit, sich weiterzubilden.
In den übrigen Landesteilen und im Ausland beobachtet man, wie sich dieses ostbelgische Vorreitermodell in den Jahren behauptet.

Der Bürgerdialog wird in allen Schritten sehr transparent gestaltet. Jeder kann den Ablauf mitverfolgen:

  • auf der Webseite des Bürgerdialogs: www.buergerdialog.be und in den sozialen Medien
  • in den ostbelgischen Medien (Zeitung und Radio)
  • oder durch Nachfragen beim Ständigen Sekretariat
    E-Mail: buergerdialog@pdg.be
    Telefon: +32 (0)87/31 84 22
    Postanschrift: Bürgerdialog, Platz des Parlaments 1, 4700 Eupen